Die zum meme gewordene Figur Buddy Christ aus dem Film Dogma von 1999 (s. Bild) drückt wortwörtlich ein Auge zu. Die eine Hand deutet auf den Beobachter, die andere reckt den Daumen nach oben. Das ›Herz Jesu‹ unter dem Popstar-Grinsen zieren, anders als in der christlichen Kunst, keine Dornen und kein Kreuz. ›Ey bro‹, möchte uns die Figur sagen, ›alles easy, dickes Like – Du bist echt cool.‹
›Buddy Christ‹ ist keine Darstellung von Jesus Christus.
Zumindest keine wie ihn die Schrift bezeugt und das Christentum verkündet. Ein Jesus als gechillter ›dude‹, der indifferent alles durchgehen lässt, ist noch nicht einmal eine Interpretation der biblischen Zeugnisse, sondern schlicht frei erfundene Fiktion.
Warum? Weil Jesus (dabei waren wir letzte Woche stehen geblieben) seinen Mitmenschen mit heftiger Kritik begegnet. Dabei sind Humor und offene Beleidigungen für ihn adäquate Mittel, besonders, wenn es gegen die Eliten geht, wie etwa in der berühmten Aussage:
»Blinde Führer seid ihr: Ihr siebt die Mücke aus und verschluckt das Kamel.« (Mt 23,24)
Als an anderer Stelle ein Gesetzteslehrer sich empört: »Meister, mit diesen Worten beleidigst du auch uns«, antwortet Jesus sinngemäß ›genau!‹: »Weh auch euch Gesetzeslehrern!« (Lk 11,45)
Wer das Neue Testament aufmerksam liest, wird unzählige Stellen finden, an denen Jesus Menschen ordentlich die Meinung sagt und sich dabei nicht im geringsten um etwaige Korrektheiten, Befindlichkeiten oder Autoritäten schert. Ein weiteres Beispiel: die Pharisäer kommen zu ihm und sagen:
»Geh weg, zieh fort von hier, denn Herodes will dich töten. Er antwortete ihnen: Geht und sagt diesem Fuchs: Siehe, ich treibe Dämonen aus und vollbringe Heilungen, heute und morgen, und am dritten Tag werde ich vollendet. Doch heute und morgen und am folgenden Tag muss ich weiterwandern; denn ein Prophet darf nicht außerhalb Jerusalems umkommen.« (Lk 13,31ff)
Unterm Strich sagt Jesus hier: ›Herodes ist ein Idiot, und hätte er gründlicher die Schrift studiert, wüsste er, dass ich momentan noch zu tun habe und erst später getötet werden kann.‹
Jesus nimmt also die Menschen aufs Korn. Bemerkenswert ist nun, dass er bei all dieser Polemik ein Mensch ist, zu dem die Leute gerne kommen, besonders die, über die sich sonst lustig gemacht wird. Die Zöllner und Sünder fühlen sich in seiner Anwesenheit wohl. Die einzigen, die ihn hassen wie die Pest, sind die Humorlosen.
Warum hassen sie ihn? Weil er weder lax, noch penibel ist wie sie. Jesus drückt kein Auge zu wie ›Buddy Christ‹ und ist kein blinder Führer wie die Schriftgelehrten. Er blickt die Menschen fest an, mit beiden Augen. Bar aller Illusionen schaut er unsere Blößen und unser Potential. Nicht wie ein ›Buddy‹, sondern wie ein Freund.
Sein kritischer Blick verdrängt die Schuld nicht, sondern vergibt sie. Seine Kritik ist Ausdruck seiner Liebe. Wir hatten es schon gesehen: Was sich liebt, das neckt sich. Wer ohne Liebe (und ohne Humor) ist, kann das nicht begreifen.
Gerade weil die Schriftgelehrten in der Befolgung des Gesetztes so peinlich genau sind (sie sieben Mücken aus), sind sie für Jesus total daneben (sie verschlucken Kamele), weil ihnen das Wesentliche durch die Lappen geht – weil sie nicht sehen können, das das Gesetz auf die Liebe zielt. Doch eben darum geht es ihm: Gott, der die Liebe ist, an erste Stelle zu setzen und alles andere auf ihn hin zu relativieren:
»Auch Jesu durchgehender Mangel an Pietät speist sich aus derselben Quelle wie sein Humor. Diese Quelle ist die Freiheit, für die alles lächerlich ist außer Gott selbst.« (Berger, Ein Kamel durchs Nadelöhr?, S. 199f)
Um diese Freiheit, in der der Humor Jesu gründet, soll es im nächsten Essay gehen, der uns dann einen Schritt näher an die Freiheit der Kinder Gottes und den christlichen Humor bringt.