Von Ludwig Wittgenstein (1889-1951) stammt der schöne Satz:
»Humor ist keine Stimmung, sondern eine Weltanschauung.«
Irgendwo in den ›Vermischten Bemerkungen‹.
Sicher zugestimmt hätte ihm darin der große englische Essayist Gilbert Keith Chesterton (1874-1936), den wir hier im Bild sehen. Obschon er nämlich selbst intellektuell wie körperlich als ein Schwergewicht gelten konnte, stammt von ihm der folgende, ähnlich schöne Satz:
»Warum können die Engel fliegen? Weil sie sich selbst so leicht nehmen.«
[Quelle verlegt]
Sich selbst leicht nehmen. Über sich selbst lachen können. Das ist eine Eigenschaft, die wir nicht nur bei Engeln, sondern durchaus auch bei unseren Mitmenschen zu schätzen wissen. Guter Humor zeugt von einem guten Charakter. Denn (so die These): Humor ist eine Tugend.
›Tugend‹ kommt im Deutschen von ›Taugen‹ und beschreibt ein Vermögen, eine Fähigkeit, ein Können. Doch was ›kann‹ eigentlich ein humorvoller Mensch, was ein Humorloser nicht oder zumindest nicht so gut kann?
Ich denke: Er kann das Ernste ernst nehmen und über das Lächerliche lachen. Anders gesagt: Er hat Witz. Humor ist die Tugend, Witz zu haben.
Im Deutschen kommt das Wort ›Witz‹ von Wissen. Ein Mensch mit ›Witz‹ ist demnach jemand, der im Bereich des Humors über Wissen verfügt. Er ›kennt sich aus‹. Er kann das Lächerliche als solches erkennen und verwechselt es nicht mit dem Ernsten. Spirituell gesprochen: Der Humor ist fähig zur Unterscheidung der Geister.
Diese Verbindung von Humor und Wissen mag seltsam klingen, doch bedenken wir, dass auch Philosophen wie Kierkegaard oder sein großes Vorbild Sokrates den Humor benutzt haben, um nach der Wahrheit zu fragen.
Doch genügt Wissen, um Witz zu haben? Offenkundig nicht. Denn nicht jeder, der Wissen hat, ist witzig. Wissen kann steif und unbeweglich machen. Scheinbar braucht es also auch etwas von jener Leichtigkeit der Engel, von der Chesterton spricht.
Wie alle Tugenden ist auch der Humor mit seinen Geschwistern verbunden und verzahnt. Übe ich mich in einer Tugend (etwa in Geduld), stärke ich zugleich eine andere (etwa die Aufmerksamkeit). Am deutlichsten scheint mir der Humor mit der Demut verbunden. Nur, wer Demut hat, kann über sich selbst lachen und damit das Befreiende und Gemeinschaft Stiftende des Humors erleben und ausstrahlen.
Humor ist demütig, er demütigt nicht. (Von den schattenhaften Zerrformen des Humors, die Letzteres tun, wird noch zu reden sein.)
In einem Essay führt Chesterton diese Demut, die über sich selbst lachen kann, vorbildlich vor. Er stellt sich die Frage, worüber er wohl predigen würde, wenn er nur eine einzige Predigt zu halten hätte. Sogleich phantasiert er über eine donnernde Predigt und malt sich aus, was er alles einmal ›raushauen‹ und wem er alles einmal ›ordentlich die Meinung sagen‹ würde. Schließlich kommt er – und das kann nur, wer Witz hat – zu dem Schluss:
»Wenn ich nur eine Predigt halten könnte, dann wäre ich sicher, dass man mich nicht bitten würde, eine zweite zu halten.«
Chesterton, Gilbert Keith, Wenn ich nur eine einzige Predigt halten könnte. Essays, übers v. Irmgard Wild, München: Kösel 2016, S. 111.