Das Bild fĂŒr diese Woche zeigt eine Ansammlung von HĂ€usern. Spielern des Videospiel-Klassikers Age of Empires II dĂŒrften sie vertraut vorkommen. Denn, wie in anderen Aufbau-Strategiespielen auch, gehört das Bauen von WohnhĂ€usern mit zum Ersten, was ein Spieler zu tun hat, will er seine anstrebende Zivilisation voranbringen. Denn auch virtuelle Dorfbewohner brauchen ein Dach ĂŒber dem Kopf.
Bis wir Menschen HĂ€user bauten, geschweige denn digitale Welten, in denen wir dann wiederum HĂ€user bauen, war es ein langer Weg. Und auch das Wohnen selbst hat sich im Laufe der Geschichte verĂ€ndert. Heute widmen wir uns darum in einem groben Ăberblick der Geschichte des Wohnens.1
1. Mobile AnfĂ€nge đŠŁ
Im Hausen der Tiere nimmt das Wohnen des Menschen seinen Anfang. Das Nest in der Baumkrone, der Bau, die Höhle usf. â das sind fĂŒr einige Millionen Jahre auch die ersten Behausungen unserer Vorfahren. ZunĂ€chst steht das GrundbedĂŒrfnis, ein Versteck und einen Unterschlupf zu haben, im Vordergrund. Doch zwingen bekanntermaĂen die sich wandelnden UmweltverhĂ€ltnisse den Menschen, auf Wanderschaft zu gehen, womit paradoxerweise das eigentliche Wohnen beginnt.
Der Mensch macht sich Zelte aus Ăsten, Knochen und Fellen, die wohl auch hĂ€ufiger genutzt werden als die Höhlen des sprichwörtlichen âHöhlenmenschenâ, obschon sie natĂŒrlich aufgrund der Verwitterung archĂ€ologisch schwerer zu rekonstruieren sind. AuffĂ€llig ist, dass die Zelte bereits nicht bloĂ nach praktischen, sondern auch nach Ă€sthetischen Gesichtspunkten gestaltet werden (also etwa, indem man passende Knochen zueinander fĂŒgt): hier zeigt sich bereits die genuine Kulturleistung des Menschen, die das menschliche Wohnen vom Hausen der Tiere unterscheidet.2
2. Siedlungen & StĂ€dte đ
Mit der neolithischen Revolution (um 10.000 v. Chr.) wird der Mensch sesshaft. Grundvoraussetzung hierfĂŒr ist die Landwirtschaft, mit der er sich erstmals ein Ăberleben vor Ort sichern kann. Die Entwicklung des Lehmziegels (um 7.000 v. Chr.) tut dann ihr Ăbriges dazu, dass Siedlungen aus festen HĂ€usern entstehen können. ZunĂ€chst baut man RundhĂ€user, dann eckige Grundrisse, schlieĂlich kommen Innenhöfe hinzu.
Die ersten StĂ€dte erheben sich spĂ€ter in den Hochkulturen Mesopotamien und Ăgypten. Steine sind Mangelware und darum dem Palast- und Tempelbau vorbehalten. Doch verbessert sich die QualitĂ€t der Ziegel, denen man nun eingeweichtes Stroh beimischt, was sie bruchsicherer macht.
Andere funktionale Entwicklungen kommen hinzu, etwa die weiĂ getĂŒnchten AuĂenwĂ€nde der Ă€gyptischen HĂ€user, welche die Sonnenstrahlen reflektieren und so zumindest ein wenig helfen, die Hitze drauĂen zu halten. Von den Ăgyptern stammt zudem die charmante Erfindung der Dachterrasse.
3. Wohnen & Sozialstruktur đïž
Neben den praktischen Errungenschaften gewinnt auch die Ăsthetik, etwa in symmetrisch gestalteten RĂ€umen, weiter an Gewicht. Obschon die StĂ€dte nur teilweise geplant werden â gebaut wird, wo gerade Platz ist, oder auf den TrĂŒmmern Ă€lterer GebĂ€ude â, wird die Stadtarchitektur, so in Ur und Babylon, auch politisch: Dort ist die innere âșverbotene Stadtâč der Regierung und Geistlichkeit vorbehalten, umgeben wiederum von den HĂ€usern der BĂŒrger und FunktionĂ€re.
Die Sozialstruktur wird also rĂ€umlich abgebildet. Ein Vorgang, der sich in spĂ€teren Jahrhunderten auch im privaten Wohnen fortsetzt: etwa bei den Römern, deren patriarchale Gesellschaft sich im sogenannten âșAndronâč wiederspiegelt, dem Speisezimmer der MĂ€nner, das als einziger Raum im Haus kunstvoll geschmĂŒckt und reprĂ€sentativ gestaltet wird. Die Familie samt Dienerschaft wird als âșHausâč bezeichnet, dem der pater familias vorsteht (denken wir auch an die âșHĂ€userâč der Fantasy-Literatur wie in Game of Thrones).3
Nach dem Niedergang des römischen Reiches gibt dann im frĂŒhen Mittelalter die Agrargesellschaft den Ton an, denn mehr als 90% der Bevölkerung sind Bauern. Bauernhöfe gruppieren sich zu Weilern. Sie sind als Pfostenbauten und WohnstĂ€lle konzipiert und werden vorzugsweise gegen die vorherrschende Windrichtung gebaut, damit das liebe Vieh wohl seine dringend benötigte WĂ€rme, nicht aber seinen Geruch mit den Bewohnern teile. Erst ab spĂ€tem 8. Jahrhundert entsteht, bedingt u.a. durch die Dreifelderwirtschaft und die Strukturierung in Pfarreien, das klassische âșmittelalterliche Dorfâč als Siedlung mit Dorfplatz und Dorfkirche.
4. Steigender Komfort bei bleibenden Fragen đïž
Ab dem 11. Jahrhundert differenziert sich dann die Gesellschaft berufsmĂ€Ăig und es entstehen stĂ€dtische Strukturen. Auch in den StĂ€dten sind meist nur die Kirchen aus Stein, doch das Fachwerk, das den mittelalterlichen AltstĂ€dten heute ihren Charme verleiht, erlaubt bereits komfortableres Wohnen. Hinzukommen mit der Zeit weitere VorzĂŒge wie RauchabfĂ€nge, Kachelöfen sowie spĂ€ter (aus Italien) die Glasfenster.
In den folgenden Jahrhunderten wird das Wohnen reprĂ€sentativer. Reiche StadtbĂŒrger gönnen sich farbenfrohe Fassaden, die herrschende Schicht verlĂ€sst die Burgen und errichtet sich Schlösser. Auch die Inneneinrichtung wird vielfĂ€ltiger: die mittelalterliche Allzwecktruhe weicht einer Vielfalt gĂŒnstigeren, spĂ€ter industriell gefertigten Möbeln. Man âșrichten sich einâč.
Doch muss man sich das freilich auch leisten können. Denn neben dem bĂŒrgerlichen Wohnen gibt es auch das prekĂ€re Wohnen. Die Manufakturen und spĂ€ter die Fabriken lösen den Hof als Arbeitsplatz ab, die âșganze Familieâč wird aufgebrochen, die Wohnung zum Quartier. SpĂ€testens seit dem 19. Jahrhundert ist damit jedoch eine erneute Verelendung, diesmal nicht der Bauern, sondern der Arbeiter verbunden. Ein Problem, das sich in Ă€hnlichen Konstellationen bis heute durchzieht.
Im 20. Jahrhundert schlieĂlich ermöglichen der Skelettbau mit Stahlbeton und elektrische AufzĂŒge das Bauen von HochhĂ€usern, die viel Wohnraum auf kleinstem Grund zur VerfĂŒgung stellen.
Grob vereinfacht lĂ€sst sich sagen, dass analog zu den Entwicklungen in der Medizin, das Leben und damit auch das Wohnen im Laufe der Jahrhunderte bis in unsere Tage viele seiner HĂ€rten eingebĂŒĂt hat, die dem Komfort weichen. Heute können wir durch die zweifach verglasten Fenster die Regentropfen beobachten, wĂ€hrend uns die wĂ€rmeisolierte Wohnung, vielleicht sogar mit FuĂbodenheizung, allerlei Annehmlichkeiten bietet.
Bei allem Komfort bleibt, frĂŒher wie heute, die âșWohnungsfrageâč als politische Aufgabe bestehen: Wie schaffen wir menschenwĂŒrdige Lebensbedingungen mit Licht, Luft, WĂ€rme und Wasser fĂŒr alle Menschen?
NĂ€chste Woche springen wir von der historischen auf die emotionale Ebene und gehen der Frage und Sehnsucht nach, was es heiĂt, Zuhause zu sein.
Gottes Segen und bis nÀchste Woche, Maximilian Maria
Ich stĂŒtze mich im Folgenden dankbar auf ein Manuskript, das mir meine Mutter, die sich im Rahmen eines Projekts mit der Kulturgeschichte des Wohnens befasst hat, freundlicherweise zur VerfĂŒgung gestellt hat. ;)
Sicher könnte man hier biologisch noch genauer hinschauen, etwa auf jene Paradiesvögel, die fĂŒr ihre Vogeldame tagelang eine Lichtung leerfegen und aufwendig schmĂŒcken. (Doch auch sie âșwohnenâč dort nicht und die Schönheit ist ihnen kein Selbstzweck wie dem Menschen.)
In der Apostelgeschichte begegnet das âșganze Hausâč ebenfalls (vgl. Apostelgeschichte 10,2; 16,34; 18,8).