Kürbisse, Getreide, Äpfel, Nüsse, Blumen, Bier, Wein und Brot. Heute feiern wir in Wien das Erntedankfest, für das unser Pfarrer Christoph einen wundervollen Erntealtar bereitet hat. Wir sehen: Gottes Speisekarte ist groß, und auch der Mensch mischt mit, wenn er aus den Gaben der Natur Neues zaubert: wie Brot und Wein.
Brot und Wein, Essen und Trinken, spielen auch im Leben Jesu eine große Rolle. An seinem Beispiel können wir lernen, wie Gott über das Essen und Trinken denkt – wie er uns den Tisch deckt.
1. Jesus und das Essen und Trinken
Dass Jesus zum Essen und Trinken nicht in den Keller ging, sondern sich gerne in Gesellschaft bewegte, zeigt sich an einem Vorwurf seiner Gegner, den er aufgreift:
»Der Menschensohn ist gekommen, er isst und trinkt und ihr sagt: Siehe, ein Fresser und Säufer, ein Freund der Zöllner und Sünder!« (Lukas 7,34)
Jesus kritisiert damit die Wankelmütigkeit seiner Widersacher. Denn bei Johannes dem Täufer, von dem es hieß »Heuschrecken und wilder Honig waren seine Nahrung« (Matthäus 3,4), hatten sie dessen strenge Askese kritisiert. Nun kritisieren sie bei Jesus just das Gegenteil: dass er gesellig isst und trinkt, noch dazu ›mit Zöllnern und Sündern‹.
Essen und Trinken als roter Faden
Dass Jesus sich nicht scheut, mit Ausgestoßenen Mahl zu halten, dürfte eines der Geheimnisse seiner Anziehungskraft gewesen sein. Auch sonst zieht sich das Thema Mahlgemeinschaft wie ein roter Faden durch Jesu Leben und Wirken.

In seinen Gleichnissen benutzt er wiederholt das Bild vom Mahl,1 er speist andere in den Brotvermehrungen2 und gibt schließlich seinen Jüngern folgende Verheißung:
»Ihr sollt in meinem Reich an meinem Tisch essen und trinken und ihr sollt auf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten.« (Lukas 22,30)
Gott macht Frühstück
Selbst nach der Auferstehung erkennen ihn die Jünger von Emmaus erst im Moment, da er das Brot bricht (Lukas 24,30f) – so ikonisch ist es für ihn. Den Jüngern am See von Tiberias macht er sogar Frühstück:
»Jesus sagte zu ihnen: Kommt her und esst! Keiner von den Jüngern wagte ihn zu befragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. Jesus trat heran, nahm das Brot und gab es ihnen, ebenso den Fisch.« (Johannes 21,12f)3
Jesus begab sich also gerne zu Tisch, auch nach der Auferstehung. (Übrigens saß man in der Antike nicht zu Tisch, sondern legte sich: eine Sitte, von der Bischof Fulton Sheen einmal sagt, er wünschte sich, man würde sie wiederbringen.) Doch bleibt der Vorwurf des ›Fressers und Säufers‹ unbegründet, denn Jesus – kann auch anders.
40 Tage in der Wüste
Gleich zu Beginn seines Wirkens, geht er in die Wüste um zu Fasten:
»Dann wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel versucht werden. Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird. Er aber antwortete: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.« (Matthäus 4,1-4)
Jesus besteht die Prüfung. Er macht weder den Versucher, noch den Bauch zu Gott. Übrigens sind die 40 Tage eine Anspielung auf die 40 Jahre, die das Volk Israel in der Wüste verbrachte (vgl. Numeri 14,34).
Jesus kann also beides: Feiern und Fasten. Zurück in der Gesellschaft verbindet er eine weitere Spannung: die zwischen dem perfekten Gast und dem Störenfried.
2. Partyheld und Partycrasher
Der Retter der Feier
»Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr.« (Johannes 2,3)
So heißt es in der Erzählung von der Hochzeit zu Kana. Eine Situation, in die kein Gastgeber geraten möchte: die Getränke sind aus. Aber die Not wendet sich, als Jesus sein erstes Wunder tut. Heute ist dieses Wunder ikonisch für ihn, damals geschieht es noch im Verborgenen: er wandelt Wasser zu Wein – und zwar nicht nur ein paar Gläschen, sondern satte 600 Liter. Bei Johannes lesen wir:
»Es standen dort sechs steinerne Wasserkrüge, wie es der Reinigungssitte der Juden entsprach; jeder fasste ungefähr hundert Liter. Jesus sagte zu den Dienern: Füllt die Krüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis zum Rand. Er sagte zu ihnen: Schöpft jetzt und bringt es dem, der für das Festmahl verantwortlich ist! Sie brachten es ihm. Dieser kostete das Wasser, das zu Wein geworden war. Er wusste nicht, woher der Wein kam; die Diener aber, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es. Da ließ er den Bräutigam rufen und sagte zu ihm: Jeder setzt zuerst den guten Wein vor und erst, wenn die Gäste zu viel getrunken haben, den weniger guten. Du jedoch hast den guten Wein bis jetzt aufbewahrt. So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn.« (Johannes 2,6-11)

Wer wäre nicht dankbar?
Wir müssen es uns für heute vorstellen: Ich schmeiße eine Party – und die Katastrophe tritt ein: der Getränkekühlschrank ist geplündert, die Anlage gibt den Geist auf, schon beginnt die Stimmung zu kippen.
Doch ein Freund kommt mit seinem Wagen vorbei, in dem er, von wo auch immer, Snacks, Getränke und seine Boxen mitgebracht hat. Er rettet die Party – und will danach nicht einmal in deren Mittelpunkt stehen. Stattdessen lässt er es zu, dass die Gäste mich für die gelungene Feier beglückwünschen. Auf meinen staunenden Blick antwortet er nur mit einem leise lächelnden ›Passt schon‹.
›Passen‹ tut Jesus jedoch anderen Gastgebern gar nicht. Denn wo eine Feier für Status- und Machtspiele missbraucht wird, hält er sich nicht an die Regeln.
Ein Freund der Zöllner und Sünder
Jesus verletzt die Normen und moralischen Ekelgrenzen seiner Zeit, wenn er mit Zöllnern und Sündern isst. Auch sonst kehrt er gerne die Macht- und Tischordnungen um, wenn er rät, den letzten Platz einzunehmen (Lukas 14,10) und sich am Tisch als Diener zu verstehen (Lukas 22,27).
Jesus integriert über das Mahl, wo andere es gerade als Mittel zur Abgrenzung sehen. Wo eine Feier gute Miene zu bösem Spiel macht und Unrecht zementiert, ›crasht‹ er sie. Er lässt sich nicht vereinnahmen oder einschüchtern und stellt gerade die Ausgeladenen in die Mitte, wie die Prostutuierte während seines Besuchs beim Pharisäer Simon (Lukas 7,36-50).
In dieser Haltung macht Jesus deutlich, dass der Mensch zwar vom Brot lebt, doch eben nicht vom Brot allein. Die Beziehung in Liebe, die bei einer heilen Mahlgemeinschaft besteht, ist ihm das Eigentliche.
3. Nicht vom Brot allein
Jesus will, dass wir uns um das Essen und Trinken keine Sorgen machen (Matthäus 6,31), sondern vertrauensvoll darum bitten – so im Vaterunser:
Unser tägliches Brot, gib uns heute.
Angewiesen auf Beziehung
Das Leben ist im Plan Gottes keine Selbstbedienung und keine Bestellung. Vielmehr sind wir darauf verweisen, dass die Natur und andere Menschen uns Nahrung zur Verfügung stellen (als Kinder sowieso). Die Beziehung ist das Eigentliche.4
Darum ist auch das himmlische Mahl nicht einfach irgendein Gastmahl, Gelage oder Bankett, sondern ein Hochzeitsmahl (Offenbarung 19,9). Noch dazu das Hochzeitsmahl des Lammes, das sich selbst hingibt. Beides unterstreicht den Beziehungsaspekt.
Liebe jenseits des Bauches
Jesus weiß, dass er allein letztlich den Hunger und Durst der Menschen nach Liebe stillen kann. Wahre Liebe liebt den anderen jedoch um seiner selbst willen. So muss sie zwar anfänglich ›durch den Magen gehen‹, wie bei einem Kind, das Vertrauen gewinnt, da seine Eltern es füttern; doch kann es dabei nicht stehenbleiben. Darum mahnt Jesus die Jünger:
»Amen, amen, ich sage euch: Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid.« (Johannes 6,26)

Selbst eine Lebensquelle werden
Was für den Hunger gilt, gilt auch für den Durst. So sagt Jesus zur Frau am Jakobsbrunnen:
»Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zu einer Quelle werden, deren Wasser ins ewige Leben fließt.« (Johannes 4,13f)
Jesus will letztlich für uns das, was er empfangen hat: eine selbstlose Liebe, die auf Gott vertraut. Und er verheißt uns, dass wir so selbst zu einer Quelle werden, die andere speisen und tränken kann – wie er es tut.
Nächste Woche wird es einen kleinen Exkurs geben, da ich eine neue Veranstaltungsreihe vorstellen möchte. Übernächste Woche werden wir dann den Hunger und den Durst betrachten, die Jesus in die Seligpreisungen aufnimmt:
»Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden.« (Matthäus 5,6)
Gottes Segen und bis nächste Woche,
Vgl. Mt 22,1-14, Lk 16,19-21, Lk 14,15-24, Lk 17,7-10.
Vgl. Mk 6,30-44, Mk 8,1-10, Mt 14,13-21, Lk 9,10-17, Joh 6,1-15.
›Ein Gott, der frühstück macht‹, wie der wunderbare Michael Stahl immer wieder betont (seine Vorträge finden sich auf YouTube).
Vgl. Biser, Eugen, Das Antlitz. Selbstfindung in Jesus Christus, Düsseldorf: Patmos 2006, S. 222: »Für ihn [Jesus] lebt der Mensch zwar vom Brot, aber (nach Lk 4,4) nicht vom Brot allein. Und selbst bei der Beschaffung des Brotes ist er, wie das Gleichnis vom zudringlichen Freund unterstreicht (Lk 11,5-8), auf die Hilfe der Mitmenschen und, wie es sich aus der Brotbitte des Vaterunsers ergibt (Lk 11,2), auf den sich seiner Nöte annehmenden Gott angewiesen. So aber ist der Hunger in der Sicht Jesu das Indiz für das vielfältige Angwiesensein des Menschen, der sich nur mit Hilfe der Zuwendung anderer im Dasein zu halten vermag.«